Osho Mahabodhi Meditation-Center

Heidelberg

Osho Diskurse

 

 

Nicht-Denken ist das Tor

 

Es gibt zwei Wege Realität wahrzunehmen : den Weg des Intellekts und den Weg der Intelligenz. Der Weg des Intellekts ist, über die Realität zu theoretisieren, über sie nachzudenken, über sie zu spekulieren. Aber alle Spekulationen sind sinnlos, denn wie kannst du über das spekulieren, was du nicht kennst?

 

Das Unbekannte kann nicht gedacht werden, es gibt keine Möglichkeit, über das Unbekannte nachzudenken. Alles was du denkst, kennst du schon und es wiederholt sich ständig in deinem Kopf. Ja, du kannst dir neue Kombination alter Gedanken ausdenken, aber durch neue Kombinationen allein wirst du das Wirkliche nicht entdecken.

 

Der Intellekt ist der grösste Betrüger der Welt. Durch den Intellekt macht der Mensch sich seit Urzeiten etwas vor. Durch den Intellekt zerredet ihr die Wirklichkeit, erklären tut ihr sie nicht. Durch den Intellekt wirbelt ihr so viel Staub auf, dass ihr die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahrnehmen könnt und von der Existenz abgeschnitten seid. Ihr verliert euch in euren Heiligen Schriften, woanders ist noch nie ein Mensch verlorengegangen. Nur im Dschungel der Schriften, gehen die Menschen immer verloren.

 

Tantra ist der Weg der Intelligenz, nicht des Intellekts. Es beantwortet keine Fragen. Es ist kein Fragen, es ist ein Suchen. Tantra erkundigt sich nicht über die Wahrheit, Tantra erkundet die Wahrheit. Es dringt in die Wirklichkeit ein. Es versucht, alle Wolken aufzulösen, die dich umfangen, damit du die Wirklichkeit so wahrnehmen kannst, wie sie ist.

 

Tantra bedeutet, über das Denken hinauszugehen. Deshalb haben die Tantriker die Liebe so sehr gepriesen. Deshalb konnte der Liebesorgasmus zum Symbol für die höchste Wirklichkeit werden. Und zwar, weil ihr nur im Liebesorgasmus für kurze Augenblicke den Kopf verliert. Nur auf diesem Wege kann der gewöhnliche Mensch den Zustand von Nicht-Denken erreichen. Das ist die einzige Möglichkeit, die ihr habt, einen Einblick in die Realität zu bekommen.

 

Deshalb ist der sexuelle Orgasmus auf dem tantrischen Wege so ungeheuer wichtig geworden. Nicht etwa, dass er euch die höchste Wirklichkeit bescherte, aber er gibt euch wenigstens eine Chance, einen Einblick über den Verstand hinauszuwerfen. Er öffnet euch ein kleines Fenster, nur kurz, nur für einen Augenblick, dennoch ist das die einzige Möglichkeit für euch, mit der Wirklichkeit in Kontakt zu treten. Sonst seid ihr ständig von euren Gedanken umnebelt, und die Gedanken erklären euch nichts. Alle Gedanken sind reiner Unsinn.

Die Wirklichkeit des Menschen ist ein Mysterium. Es gibt keine Antwort auf sie, denn sie ist keine Frage. Sie ist ein Mysterium, das gelebt werden muss. Das Mysterium kommt nicht aus dem Verstand, also kann es der Verstand auch nicht lösen. Das Mysterium des Lebens, dieses Mysterium der Existenz, das euch umgibt, diese Bäume, diese Sterne, diese Vögel, die Menschen, du selbst, wie kannst du sie mit dem Verstand begreifen ? In der Existenz ist der Verstand ein Neuling, eben erst angekommen. Die Existenz hat lange, lange ohne den Verstand existiert. Der Verstand ist dann dazugekommen. Die Wissenschaftler sagen, wenn wir die Geschichte des Menschen in vierundzwanzig Stunden einteilen, ein einziger Tag, dann ist der Verstand gerade erst vor zwei Sekunden dazugekommen.

 

Wieso sollte der Verstand also irgendetwas lösen können ? Er kennt nicht den Anfang, er kennt nicht das Ende. Wer wirklich wissen will, was dieses Unbekannte ist, muss aus dem Verstand aussteigen, muss in der Existenz aufgehen. Das ist der Weg des Tantra.

Tantra ist keine Philosophie. Tantra ist durch und durch existenziell. Wenn ich sage Tantra ist existenziell, dann meine ich damit nicht den Existentialismus von Satre, Camus, Marcel und anderen. Diese Existentialisten des Westens sind nur auf das Negative gestossen : Schmerz, Angst, Depression, Traurigkeit, Sorge, Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit, Zwecklosigkeit. Tantra ist auf alles gestossen, was schön, freudig, glückselig ist. Tantra sagt : Die Existenz ist ein Orgasmus, ein ewiger Orgasmus, der weiter und weiter und weiter geht. Die Existenz ist für immer und ewig ein Orgasmus, eine Ekstase.

 

Tantra sagt : Denken ist nicht die Tür, es führt nirgendwo hin, es ist eine Sackgasse. Philosophie ist wunderbar, wenn du einfach nur ein bisschen spinnen willst. Dann ist Philosophie grossartig : Du kannst Maulwurfshügel zu Bergen machen und deinen Spass dabei haben.

Philosophie funktioniert in etwa so : Gestern war ich in einem Restaurant und bestellte etwas zu essen. Ich sass am Tisch mit einer kleinen Gruppe von Leuten, die sich alle eine Kleinigkeit bestellt hatten. Nicht etwa, na, ja, sechs, sieben Leute am Tisch... ich weiss nicht, vielleicht waren es acht Leute, neun.... na, an die vierzig Leute assen zu Mittag. Eine kleine Gruppe von Leuten eben.

 

Zu trinken hatte ich ein Glas Milch bestellt. Ich trinke ja gerne Milch. Sie wissen ja, was ich von Buttermilch halte. Aber Milch trinke ich gerne. Ich liebe Milch. Am liebsten frische, kalte Milch. Warme Milch... e-kel-haft ! Wenn ich sie nur rieche... Jedenfalls die Milch kam. Und ich wollte gerade trinken, als ich bemerkte, dass oben auf der Milch ein winziges, klitzekleines, schwarzes Pünktchen schwamm. Und glauben sie mir, so wahr ich hier sitze, es gab für mich nichts Wichtigeres mehr auf der Welt als diesen kleinen schwarzen Punkt. Es wurde für die nächsten Minuten zur allerwichtigsten Sache in meinem Leben. Zuallererst würde ich dieses verdammte Ding nicht runterschlucken, das war mal sicher !

 

Wer weiss denn heutzutage schon, was das ist ? Es hätte ja eine fette Portion Strontium 90 sein können, oder ? Oder vielleicht eine ganze Kolonie von Typhuserregern. Jedenfalls, ich wollte es nicht schlucken.

 

Natürlich habe ich früher schon schwarze Punkte gesehen, ich bin ein Mann von Welt, ich kenne das Leben. Und bestimmt haben Sie sie auch schon gesehen. Man findet sie überall. Jedenfalls am häufigsten, glaube ich, entdeckt man sie in Zuckerdosen. Mehldosen und Haferflocken sind auch voller schwarzer Punkte. Ehrlich gesagt, ich glaube, Haferflocken sind voller schwarzer Punkte. Aber das nur nebenbei. Also, was mich bedenklich stimmte über diesen schwarzen Punkt war, dass ich nicht wusste, wo er herkam, das beunruhigte mich wirklich. Ich wusste, wo die Milch herkam. Das beunruhigte mich eigentlich auch. Aber wenigstens wusste ich, wo sie herkam. Also entschloss ich mich, den schwarzen Punkt aus der Milch herauszuholen.

 

Wissen sie, was das für eine Arbeit ist ? Diese schwarzen Punkte sind gerissen wie der Teufel ! Sie riechen einen Löffel schon auf einen Kilometer Entfernung. Sobald du den Löffel in die Hand nimmst, fangen sie an, im Glas herumzuflitzen. Du pickst sie heraus und sie springen zurück. Du fischt sie heraus und sie entkommen. Und du musst ganz behutsam sein, sonst kommen sie dir auf die Schliche und tauchen unter bis auf den Grund ! Und dann sitzt du da wie ein Idiot und wartest, bis sie wieder auftauchen.

 

Aber es gibt eines, was du machen kannst. Du nimmst einfach die Spitze deines Fingers und berührst den Punkt ganz sanft, und er bleibt an deinem Finger kleben, und der Punkt ist draussen. Aber du weisst ja, wenn du in einer Gruppe von Leuten bist, dann wirst du wohl kaum deinen Finger in die Milch stecken, oder ? Irgendein Klugscheisser kann es sich sonst nicht verkneifen zu sagen : "Na, sowas ! Was machst du eigentlich mit deinem Finger in der Milch ?"

 

Und was sagst du dann ? "Ich versuche, einen schwarzen Punkt herauszufischen ?" Oder was ? Da fällt dir nichts ein. Es gibt noch etwas anderes, was du machen kannst. Du kannst die Milch ganz vorsichtig trinken und dabei die ganze Zeit den schwarzen Punkt im Auge behalten ! Sobald er sich auf dich zubewegt, hörst du auf ! Du führst den kleinen Teufel einfach an der Nase herum ! Aber das geht nur, wenn der Punkt auf der von dir abgewandten Seite des Glases ist. In diesem Fall war er direkt vor mir und wartete. Also, was machst du ? Du drehst das Glas...

 

Und das verdammte Ding bleibt an der gleichen Stelle ! Also, ich sage Ihnen jetzt, was ich getan habe, damit Sie sich, wenn es Ihnen passiert, in dieser Situation ähnlich verhalten können. Ich stand auf, ging um den Tisch herum auf die gegenüberliegende Seite... und trank es dort. Der Punkt hat es bis heute nicht bemerkt !

 

Ja, so ist das mit der Philosophie. Sie macht aus Maulwurfshügeln Berge. Damit kann man ewig weitermachen, es ist kein Ende abzusehen. Seit mindestens fünftausend Jahren philosophieren die Menschen über alles und jedes und nicht eine einzige Frage wurde gelöst.

 

Um die Wahrheit zu erkennen brauchst du Mut und Abenteuerlust und keine Philosophie. Du musst dich in das grösste Abenteuer stürzen, das es gibt. Du kannst dich verirren, wer weiss ? Du kommst vielleicht nie mehr zurück, wer weiss ? Oder du kommst zurück und hast dich völlig verändert, und wer weiss, zum Guten oder Schlechten?

 

Der Weg ist unbekannt, die Route ist so unbekannt, dass du sie nicht einmal planen kannst. Du musst einen Sprung wagen. Mit verbundenen Augen musst du hineinspringen, bei dunkler Nacht, ohne Wegkarte, ohne zu wissen, wohin du springst, ohne zu wissen, was dich erwartet. Nur einige wenige Tollkühne machen sich auf diese existenzielle Suche. Deshalb hat Tantra immer nur wenige Menschen angezogen, aber sie waren das Salz der Erde. Saraha ist einer von ihnen.

 

Versuche immer in der Realität zu bleiben, ohne zu interpretieren, und langsam öffnen sich Türen. Langsam kommen Momente, die nichts mit dem Verstand zu tun haben. Einblicke in die Wirklichkeit ohne Sprache, Einblicke in die Wirklichkeit ohne Kopf, und diese Momente bereiten dich vor.

 

Gehe mit offenem Herzen auf sie zu, mit Empfänglichkeit, mit einem einladenden Wesen, nimm sie in dich auf. Wo immer Freude ist, ist Gott. Wo immer Gott ist, da ist Freude. Das ist die Botschaft des Tantra.

 

Freude hat drei Ebenen : Die erste ist das, was wir "Genuss" nennen. Genuss gehört dem Körper an. Die zweite ist "Glücklichsein". Glücklichsein gehört dem Geist an. Die dritte ist "Glückseligkeit". Glückseligkeit ist spirituell. Alle drei haben aber eine Wirklichkeit gemein, und diese Wirklichkeit ist Freude. Freude, umgewandelt in die Sprache des Körpers, wird zu Genuss. Freude, die über den Körper empfangen wird, verwandelt sich zu Genuss. Freude, die über den Geist empfangen wird, wird zu Glück. Freude, weder durch den Geist noch durch den Körper empfangen, wird zu Glückseligkeit.

 

Freude ist die einzige Wirklichkeit. Freude ist Gott ! Freude ist der Stoff, aus dem die Existenz gemacht ist.

Saraha sagt : Sei offen für Freude, woher auch immer sie kommen mag. Lehne sie nicht ab. Verdamme sie nicht. Wenn sie körperlich ist, warum nicht ? Dann klopft Gott an die Tür deines Körpers. Wenn Du beim Essen Freude empfindest, wenn du dein Essen geniesst, ist es Gott. Du nimmst ihn auf.

 

Du hälst die Hand einer Frau oder eines Mannes, eines Freundes oder irgendeines anderen Wesens, sehr liebevoll und eine erregende Spannung kommt auf, es beginnt ein Tanz, ein inniger Tanz eurer Körperenergien. Du bist erregt, etwas vibriert in dir wie Elektrizität, etwas kräftigt dich, verjüngt dich, etwas macht dich lebendiger, als du jemals warst: das ist Freude, ist Gott, der durch den Körper wirkt.

Wenn du beim Musikhören ein ungeheures Glücksgefühl empfindest, ist es Freude, die über den Geist kommt. Wenn du eine Blume anschaust, ohne sie zu berühren und ohne den Geist ins Spiel zu bringen, kommt ein Moment, da Glückseligkeit herrscht, subtile, stille, tiefe Seligkeit, eine Segnung. All das sind verschiedene Manifestationen von Freude.

 

Tantra sagt, das Wichtigste ist, dass du offen für die Freude bist. Ihr werdet euch überrascht fragen, warum ich so sehr darauf beharre : "Sind wir denn nicht etwas offen für Freude ?" Ihr seid nicht offen, keiner ist offen dafür. Ja, es ist traurig genug, das zu sagen, aber es ist so. Gegenüber dem Leiden sind wir viel empfänglicher. Wir sind eher bereit, zu leiden, als das wir bereit sind, uns zu freuen. Diseses hat seine Gründe. Die Freude raubt dir dein Ego, und das Unglücklichsein stärkt dein Ego. Ein Moment der Freude... und du verlierst dich in ihm. Also noch einmal : weil wir Egoisten sind, sind wir offener für das Leiden, für das Unglück, die Traurigkeit, die Niedergeschlagenheit.

Seit Jahrhunderten erzählt man euch, dass ihr in den Himmel eingeht, wenn ihr das Ego loslasst. Ich sage euch : Wenn ihr das Ego loslasst, zieht der Himmel in euch ein. Wenn ihr ohne Ego seid, seid ihr der Himmel. Wenn ihr voller Ego seid, seid ihr die Hölle. Die Hölle ist nicht irgendwo unten, und der Himmel ist nicht irgendwo oben. Himmel und Hölle sind in euch. Und je nachdem wie ihr lebt, erlebt ihr das eine oder andere.

 

Wenn du bist, bist du die Hölle. Wenn du nicht bist, bist du der Himmel. Und wenn Du zu sehr an deinem Ego hängst und dich fühlen willst, als etwas Besonderes, als einzigartig, als andersartig, als dieses oder jenes, dann bleibst du unglücklich. Und schon ein einziger Moment der Freude, sagt Saraha, reicht aus, dich zu verändern.

 

Und der Geist wird niemals durch Philosophieren bereichert. Er wird nicht durch Theorien bereichert, nicht durch Wissen bereichert, nur durch Erfahrung. Ein reicher Geist ist ein Geist, der etwas vom Wirklichen, etwas von der Wahrheit erfahren hat. Es gibt nur einen Reichtum, den der Wahrheit. Solange du die Wahrheit nicht kennst, lebst du mit Lügen, Illusionen, Projektionen, Träumen.

Warum fiebern die Leute gewöhnlich nach äusseren Dingen ? Der eine will ein Auto, der andere will ein Haus, wieder ein anderer will Macht. Warum rennen die Leute Objekten nach ? Was ist die Ursache, der eigentliche Grund für ihre Sucht und ihre hektischen Aktivitäten ? Ihr werdet es kaum glauben. Tantra sagt : Sie wollen vor sich selber davonlaufen. Sie rennen nicht Objekten nach, sie wollen ganz einfach vor sich selbst fliehen. Die Objekte sind Vorwände. Sie helfen dir, dir selbst den Rücken zuzukehren. Du hast Angst vor dir selbst. Du hast Angst um dich selbst.

 

Es passiert hier jeden Tag. Wann immer jemand der Meditation näher kommt, kriegt er Angst. Warum ? Weil du niemanden vorfindest, wenn du in dich hineinschaust. Das reine Nichts, ein Abgrund, abgrundtiefes Nichts. Du zitterst, du stehst auf einer Klippe. Ein falscher Schritt und es ist aus mit dir. Man rennt vor sich selber davon. Die Leute rennen nicht etwa hinter etwas her, sie rennen vor sich davon. Und dieses Etwas ist ihr eigenes Sein.

 

Deshalb geht es euch gut, solange ihr beschäftigt seid. Sobald du keine Beschäftigung hast, wirst du sehr unruhig, sehr nervös. Gibt es denn nichts zu tun ? Du fällst dir selber auf die Nerven. Wenn du etwas zu tun hast, wenn du abgelenkt bist, dann kannst du diesen Abgrund vergessen. Dieser Abgrund ist Gott. Wer diesen Abgrund akzeptiert, wer sich mit diesem Abgrund anfreundet, macht den ersten Schritt in Richtung Wirklichkeit.

 

Saraha sagt : Gewöhnliche Leute rennen den Dingen nach, weil sie vor sich selber davonlaufen. Aber ein Mensch, der erfahren hat, was die Wahrheit ist, lässt sich nicht täuschen, auch dann nicht, wenn er sich den Objekten zuwendet, denn er kann auch geniessen. Tatsächlich ist er der einzige, der die Dinge richtig geniessen kann. Wer die Wahrheit erfahren hat, braucht vor nichts wegzulaufen. Er flieht vor nichts. Er kann die Dinge geniessen. Wie sollt ihr die Dinge geniessen können, wo ihr doch ständig vor eurem eigenen Sein Angst habt?

 

Saraha sagt : Wenn du einen Tantriker siehst, der sich mit einer Frau vergnügt oder sich das Essen schmecken lässt oder der Wein trinkt, dann verurteile ihn nicht, auch wenn er aussieht wie ein gewöhnlicher Mann. Er ist nicht gewöhnlich. Der Unterschied geht sehr tief. Der Unterschied ist sehr wesentlich. An der Oberfläche sehen beide gleich aus. Wie kann man unterscheiden, ob ein Mann, der einer Frau nachläuft, ein gewöhnlicher Mann ist oder ein Tantriker? Von aussen kann man das sehr schwer feststellen, denn von aussen sehen beide fast gleich aus.

 

Ein Tantriker sitzt neben einer Frau und hält ihre Hand, und ein gewöhnlicher Mann tut das gleiche, auch er hält die Hand einer Frau. Wie kann man einen Unterschied zwischen beiden feststellen ? Der gewöhnliche Mann ist auf der Flucht vor sich selbst. Er möchte sich in der Frau verlieren, damit er sich selber vergessen kann. Sich selber liebt er nicht, deshalb liebt er diese Frau, um seine Realität zu vergessen. Er benutzt die Frau wie ein alkoholisches Getränk. Diese Frau macht ihn betrunken, und er vergisst sich. Es hilft ihm, es verschafft ihm eine gewisse Entspannung. Wenigstens für ein paar Augenblicke steckt er nicht in seinen üblichen Ängsten.

 

Und der Tantriker hält mit innigster Freude die Hand der Frau. Er will nicht fliehen. Wohin sollte er fliehen, und wer sollte fliehen, da es ihn als Ego gar nicht mehr gibt ? Er hält einfach die Hand dieser Frau, um ihr etwas ungeheuer Wertvolles zu geben.

 

Du kannst nicht alles jedem geben. Es gibt einige wenige Dinge, die du nur in der Liebe geben kannst. Es gibt einige wenige Dinge, die du nur im Vertrauen geben kannst.

 

Die Leute fragen mich, warum ich nicht zu den Massen spreche. Ich spreche nicht zu ihnen, weil ich etwas zu geben habe, das nur im tiefen Vertrauen und nur in tiefer Liebe gegeben werden kann. Ich kann nur zu Menschen sprechen, die mich lieben. Sonst ist es sinnlos. Sie würden mich nicht verstehen, sie würden mich missverstehen. Es gäbe keine Möglichkeit, mich verständlich zu machen. Es kann nur dann weitergegeben werden können, wenn ihr es in euch aufnehmen könnt. Wenn eure Herzen bereit sind, offen sind, kann ich eure Herzen erklingen lassen, und dann kann eine wunderschöne Musik daraus entstehen. Wenn ihr aber verschlossen seid, ohne Vertrauen, voller Zweifel, kann ich mit euren Herzen nicht musizieren. Es ist unmöglich, weil ihr mir nicht erlaubt, in euren innersten Wesenskern einzudringen, um auf euren Herzen zu spielen. Wenn ihr es mir nicht erlaubt, wird auch keine Musik geboren.

 

Und dann wollt ihr wissen, ob die Musik existiert. Der einzige Weg euch bewusst zu machen, dass sie existiert, ist der, sie in euch zu erzeugen. Ihr sagt : "Ja, wenn ich die Musik erfahren kann, werde ich auch Vertrauen haben." Das Problem ist, dass ihr die Musik erst erfahren könnt, wenn ihr Vertrauen habt, Vertrauen ist die Grundvoraussetzung.

 

Der Tantriker hält die Hand einer Frau. Er kann die Hand jedes beliebigen Menschen halten, aber die Energie, die ihm wiederfahren ist, kann er nur einem Menschen geben, der liebt.

 

Tantra ist kein Standpunkt des "Entweder-Oder", sondern des "Sowohl-als-auch"; es ist allumfassend. Alle Religionen wirken in dieser Hinsicht arm, denn sie nehmen euch die Welt. Sie sagen, entscheide dich entweder für die Welt oder für Gott. Sie setzen Gott gegen die Welt. Tantra ist die einzige Religion, die einzige totale Religion. Beides...

 

Tantra sagt : Da gibt es überhaupt nichts zu unterscheiden, es gehört alles euch. Ihr könnt auf dem Marktplatz sein und ihr könnt den Marktplatz geniessen, und dennoch könnt ihr über ihn hinausgehen und könnt auch das geniessen. Tantra zwingt euch nicht, euch zu entscheiden. Es liegt nur an diesen Religionen mit der "Entweder-Oder"-Haltung, dass die Welt noch immer weltlich ist. Wer schert sich schon um Gott ? Gott ist so weit weg, ist nicht besonders real. Und dann denkt man sich : "Später mal... Gott lässt sich auf die lange Bank schieben, das Leben ist so schnell vorbei, geniesse es erst einmal."

 

Die Religionen, die dem Menschen diese Entscheidung aufzwingen, haben ihn gezwungen, weltlich zu bleiben. Von einer Millionen Menschen wird einer religiös. Eine unnötig schwere Wahl. Er muss der Welt entsagen, er muss sich von seiner Familie lösen, er muss Freunde verlassen, er muss sich gegen alles entscheiden, was ihm lieb ist. Ihr zwingt ihn unnötigerweise.

 

Und dann taucht ein weiteres Problem auf. Die Leute, die bereit sind, sich für Gott und gegen die Welt zu entscheiden, sind mehr oder weniger perverse Leute, die im Leben irgendwie gescheitert sind, die irgendwo nicht intelligent genug sind, das Leben zu meistern, die irgendwo neurotisch sind. Sie können nur vor der Welt fliehen. Sie können sich nur selber quälen. Genau das heisst, bis auf den heutigen Tage - Askese : quäle dich selbst. Tu dir Gewalt an. Bringe dich um. Vergifte langsam dein Wesen. Diese Leute sind keine gesunden Leute.

 

Tantra stiftet eine völlig neue Religion. Es besagt, dass man sich nicht zu entscheiden braucht. Wo immer du auch bist, genau da, kann Gott erfahren werden. Tantra ist nicht gegen die Welt, es ist für Gott. Und sein Gott ist so grenzenlos, dass er die Welt einbeziehen kann.

Und mir scheint es sehr, sehr einleuchtend, dass die Schöpfung, die reale Welt, in den Schöpfer einbezogen ist. Wie kann sie denn gegen ihn sein ? Wenn Gott dich erschaffen hat, wenn Gott deinen Körper erschaffen hat, deine Sexualität, deine Sinnlichkeit, dann kann das doch nicht gegen Gott gerichtet sein.

 

Ein gewöhnlicher Mensch kann nur eine begrenzte Freude erleben, in der Musik, in der Meditation, im Tanz. Aber ein Tantriker erfährt grenzenlose Freude. Wenn du die letzte Vollendung kennst, spiegelt sich das Letztendliche in allem, was du tust. Wenn Du Gott erfahren hast, dann kannst du hingehen, wo du willst, du gehst auf heiligem Boden. Dann kannst du hinsehen, wo du willst, du siehst Gott. Dann kann dir begegnen wer will, du begegnest Gott.

 

Die Höchste Erfahrung spiegelt sich auch in der "niedrigsten" Erfahrung. Darum können die Leute die Tantriker nicht verstehen, die sagen, dass selbst im Sex samadhi, Erleuchtung möglich ist. Es ist verständlich, warum sie es nicht verstehen. Sie kennen kein samadhi, sie kennen nur den gewöhnlichen Sex. Sie kennen nur Frustration durch ihn, sie kennen nur Wollust durch ihn. Die gewöhnliche Liebe ist nichts weiter als Wollust und Gier. Wie kann der einfache Mensch verstehen, dass sich in der Liebe das Absolute wiederspiegeln kann?

 

Die Knospen des Lebens sind von Genuss und Freude, die Blätter sind von Herrlichkeit. Aber gewöhnlich werdet ihr nur einfache Blätter sehen, es sei denn, das Höchste hat sich ereignet. Wenn euch das Absolute wiederfährt, erkennt ihr, dass selbst die einfachen Blätter eures Lebens keine einfachen Blätter sind. Erst durch sie konnte sich die höchste Blüte entfalten. Und nun wisst ihr, dass der gleiche Saft, der zur höchsten Blüte fliesst, zu den Knospen von Genuss und Freude, auch der gleiche Saft ist, der zu den Blättern fliesst. Sie tragen allesamt dazu bei, den tausendblättrigen Lotus hervorzubringen. Blätter der Herrlichkeit bedeutet : Blätter der Gnade und Dankbarkeit. Du fühlst das Herrliche der Existenz, dein Leben ist herrlich. Es ist kein gewöhnliches Leben mehr, es strahlt vor Göttlichkeit.

 

Und wann öffnet sich dieser tausendblättrige Lotus ? Er öffnet sich, wenn nichts hinausfliesst. Genuss ist, wenn die Energie nach aussen fliesst, körperlicher Genuss. Freude ist, wenn die Energie nach innen fliesst, psychologische Freude.

 

Und wann kommt Glückseligkeit?

 

Wenn die Energie nirgendwo hinfliesst, wenn sie einfach nur da ist.

 

Du gehst nirgendwo hin, du bist einfach nur da, du bist einfach nur. Nun hast du keine Ziele, nun hast du keine Wünsche, die du dir erfüllen musst. Du hast keine Zukunft, du bist einfach im Hier und Jetzt. Wenn die Energie sich in einem Sammelbecken sammelt, nirgendwo hingeht, nirgends hingeht, nirgendwo hinfliesst... kein Ziel, das es zu ereichen gilt, nichts, das es zu finden gilt, du bist einfach hier, mit deiner ganzen Präsenz, du bist total hier. Dieses Jetzt ist die einzige Zeit, die dir bleibt, und dieses Hier ist der einzige Raum. Dann plötzlich wallt diese gesammelte Energie, die nirgendwohin will, die weder vom Körper noch vom Geist abgelenkt wird, in dir hoch, und der tausendblättrige Lotus öffnet sich.

 

Und dann kommt die Frucht. Freude und Genuss sind die Knospen, Gnade, Dankbarkeit und Herrlichkeit sind die Blätter, und diese höchste Blüte der Seligkeit ist die Erfüllung, die Frucht. Du bist zu Hause angekommen. Und nun weist du, dass alles, was geschehen ist, nur ein Traum war. Nun weisst du, dass Karma, das Handeln, bedeutungslos ist. Du hast nur Linien auf dem Wasser gezogen, die immer wieder verschwinden. Aber es war hilfreich, nützlich, es hat dich zur Wirklichkeit geführt.

 

Wenn du wirklich nach Hause kommst und siehst, was ist, wirst du nicht das Gefühl haben, befreit zu sein. Im Gegenteil, du wirst denken : "Wie lächerlich, dass ich je geglaubt habe, nicht befreit zu sein." Ein grosser Unterschied. Falls du, wenn du nach Hause gekommen bist, ein erhabenes Gefühl bekommst und total euphorisch wirst und sagst : "Jetzt bin ich befreit", dann beweist das nur, dass du noch nicht befreit bist.

 

Saraha sagt : Wenn du wirklich befreit bist, befreit von allem Richtig und von allem Falsch, befreit von allem Gut und allem Böse, dann bist du nicht nur von der Knechtschaft befreit, dann bist du auch von aller Befreiung befreit.

 

Wie kannst du noch gefesselt werden ? Niemand ist da, der gefesselt werden könnte, es gibt nichts zu fesseln. Die Fesseln sind verschwunden, und mit ihr der Gefesselte. Saraha verkündet hier Buddhas grösste Erkenntnis. Buddha sagt : Es gibt keine Substanz und es gibt kein Selbst. Substanz existiert nicht, alles ist leer. Diese Leere endlich erkennend... in Leere schwebende Bewusstheit, reine Bewusstheit, grenzenlose Bewusstheit. Diese Bewusstheit ist Leere selbst, oder andersherum, diese Leere ist Bewusstheit. Die Leere leuchtet vor Bewusstheit, voller Bewusstheit.

 

Tantra ist eine grossartige Einsicht in die Dinge, wie sie wirklich sind.

 

Osho