Osho Mahabodhi Meditation-Center

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Die Reinheit der Gefühle ist wichtig auf dem spirituellen Weg. Am Ende steht die Dankbarkeit

 

Die Gefühle befinden sich auf einer tieferen Ebene als der Körper oder die Gedanken. Die Reinheit der Gefühle ist die wichtigste Eigenschaft. Auf dem spirituellen Weg und in der Meditation ist sie noch hilfreicher als die Reinheit von Körper und Gedanken und zwar deshalb, weil der Mensch mehr nach seinen Gefühlen handelt als nach seinen Gedanken. Man sagt zwar, der Mensch sei ein vernünftiges Tier, aber das stimmt nicht. Deine Handlungen werden gar nicht so sehr von deinen Gedanken bestimmt, meistens werden sie von deinen Gefühlen bestimmt, von deinem Hass, deinem Zorn, deiner Liebe, all das hat mit Gefühl zu tun, nicht mit Gedanken.

 

Die meisten Handlungen im Leben entstammen der Gefühlswelt. Sicher kennst du das an dir, dass du die eine Sache denkst und in der Situation dann etwas ganz anderes tust. Denken und Fühlen sind nämlich zwei sehr verschiedene Dinge. Du nimmst dir zum Beispiel vor, nicht wütend zu werden. Du denkst, Wut ist etwas Schlechtes. Doch wenn die Wut dich überkommt, dann lässt du alles Denken beiseite und wirst einfach wütend.

 

Solange es auf der Gefühlsebene nicht zu einer Veränderung kommt, können Denken und Kontemplieren allein keinen Umbruch in deinem Leben bewirken. Deshalb sind auf dem spirituellen Weg die Gefühle der entscheidende Faktor. Wir sprechen heute darüber, wie man die Gefühle reinigen kann. Aus dem weiten Spektrum der Gefühle möchte ich vier hervorheben. Es sind die vier Aspekte, durch die die Gefühle rein werden können. Die gleichen vier Aspekte können auch ins Gegenteil umschlagen und zur Brutstätte für unreine Gefühle werden. Der erste Aspekt ist Freundlichkeit, der zweite ist Mitgefühl, der dritte ist Heiterkeit und der vierte ist Dankbarkeit. Wenn du diese vier in dein Leben einbeziehen kannst, hast du die Reinheit der Gefühle erlangt.

 

Zu diesen vier Aspekten gibt es jeweils auch ein Gegenteil. Das Gegenteil von Freundlichkeit ist Hass und Feindseligkeit; das Gegenteil von Mitgefühl ist Grausamkeit, Unfreundlichkeit; das Gegenteil von Heiterkeit ist Traurigkeit, Elend, Verzweiflung und Besorgnis; das Gegenteil von Dankbarkeit ist Undankbarkeit.

 

Du solltest herausfinden, wodurch deine Gefühle am meisten beeinflusst werden, was sie bewegt. Stimmt es, dass in deinem Leben Feindseligkeit überwiegt, statt Freundlichkeit? Bist du von Feindseligkeit stärker beeindruckt, wird sie leichter in dir hervorgerufen als Freundlichkeit? Beziehst du daraus mehr Energie? Wie ich gestern schon sagte, hat Wut Energie, aber auch Freundlichkeit hat Energie. Ein Mensch, der nur feindselige Energie hervorbringen kann, dem entgeht eine wesentliche Dimension des Lebens. Wer nicht gelernt hat, freundliche Energie in sich zu wecken, der ist in feindseligen Situationen stark, aber in freundlichen Situationen fühlt er sich hilflos.

Wusstet ihr schon, dass alle Nationen in Friedenszeiten schwächer werden und in Kriegszeiten stärker werden? Warum? Weil sie nicht wissen, wie die Energie der Freundlichkeit geschaffen wird. Stille ist in euren Augen keine Kraft, sondern eine Schwäche. Aus diesem Grund ist Indien, ein Land, das so viel über Liebe und Gewaltlosigkeit spricht, so machtlos geworden. Denn normalerweise fühlt man sich nur dann stark, wenn man eine feindselige Gesinnung hat.

 

Hitler schrieb in seiner Biografie: Wenn man ein Land mächtig machen will, dann muss man so tun, als hätte es Feinde oder man muss echte Feinde schaffen. Erzähle den Leuten, dass sie von Feinden umgeben sind, selbst wenn das nicht stimmt. Wenn die Leute glauben, sie seien von Feinden umringt, entsteht viel Kraft und Energie.


Deshalb hat Hitler so getan, als seien die Juden Feinde, es stimmte gar nicht. Zehn Jahre lang hat er dem ganzen Land gepredigt: „Die Juden sind unsere Feinde, wir müssen uns vor ihnen schützen.“ Das hat viel Energie entfacht. Deutschlands und Japans ganze Stärke entstanden aus dieser Feindseligkeit. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass wir bis heute nur feindselige Energie erzeugen können. Wir wissen noch überhaupt nichts über die Energie der Freundlichkeit. Mahavira, Buddha und Christus haben das Fundament für die Energie der Freundlichkeit gelegt. Sie haben alle gesagt, dass Gewaltlosigkeit eine Macht ist. Christus hat gesagt: „Liebe ist Macht“, Buddha sagt: „Mitgefühl ist Macht.“ Du hörst zwar die Worte, aber verstehen tust du sie nicht.

 

Schau dir einmal dein Leben an. In welchen Situationen fühlst du dich stark? Wenn du gegenüber jemand Feindseligkeit empfindest oder wenn du freundlich und liebevoll bist? Du wirst merken, dass du dich in der feindseligen Situation stark fühlst, und wenn du bewusst und still bist, wirst du kraftlos und schwach. Das bedeutet, dass du von niedrigen Gefühlen beherrscht bist. Und je stärker sie sind, desto weniger kannst du nach innen gehen.


Was ist das eigentlich, das dich davon abhält, nach innen zu gehen? Versuche, diesen wichtigen Punkt zu verstehen. Deine Feindseligkeit ist immer nach außen gerichtet, sie bezieht sich auf jemanden, der sich außerhalb von dir befindet. Wenn es außen niemanden gäbe, könnte keine Feindseligkeit in dir entstehen.

 

Doch Liebe ist nicht auf etwas Äußeres bezogen. Selbst wenn es niemand um dich herum gibt, kannst du doch im Innern voller Liebe sein. Liebe ist etwas Inneres, Freundlichkeit ist etwas Inneres. Feindseligkeit braucht den andern, sie ist auf den andern bezogen. Hass wird von außen ausgelöst, Liebe entspringt im Innern. Die Quelle der Liebe fließt im Inneren, die Hassreaktion wird von außen hervorgerufen. Unreine Gefühle werden von der Umgebung ausgelöst und reine Gefühle entspringen in dir selbst.

 

Versuche diesen Unterschied zwischen unreinen und reinen Gefühlen zu verstehen. Von außen hervorgerufene Gefühle sind nicht rein. Deine Liebe, die Leidenschaft, die du Liebe nennst, ist nicht rein, weil sie eine äußere Ursache hat. Nur die Liebe, die in dir selbst fließt und durch nichts Äußeres bedingt ist, ist rein.

 

Deshalb machen wir im Osten einen Unterschied zwischen Liebe und Leidenschaft und trennen sie voneinander. Leidenschaft wird von außen hervorgerufen. Buddhas oder Mahaviras Herz kennen keine Leidenschaft, sondern nur Liebe.

 

Jesus ging einmal durch eine Stadt. Es war Mittag, die Sonne schien heiß und er war müde. Also machte er in einem Garten unter einem Baum Rast. Das Haus und der Garten gehörten einer Prostituierten. Sie sah Jesus dort sitzen. Noch nie hatte ein solcher Mensch in ihrem Garten Halt gemacht. Sie hatte schon viele schöne und mächtige Menschen gesehen, aber einen solchen Menschen hatte sie noch nie gesehen. Diese Schönheit war anders, diese Harmonie war nicht von dieser Welt. Sie spürte, wie eine magische Anziehungskraft von ihm ausging und ehe sie sich versah, stand sie vor dem Baum. Als sie Jesus anschaute, öffnete er die Augen und stand auf, um zu gehen. Er bedankte sich und sagte: „Danke für den Schatten, den dein Baum mir gespendet hat. Ich mache mich jetzt auf den Weg. Es ist noch weit.“

Doch die Prostituierte bat: „Bleibe noch eine kleine Weile in meinem Haus. Du würdest mir wehtun, wenn du nicht hereinkämst. Es ist das erste Mal, dass ich jemand in mein Haus einlade. Gewöhnlich kommen die Leute zu mir und ich schicke sie weg. Zum ersten Mal in meinem Leben bitte ich jemanden herein.“ Jesus sagte: „Wenn du mich in dein Herz eingeladen hast, bin ich bereits dein Gast geworden. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Bitte lass mich gehen. Ich habe deine Gastfreundschaft schon genossen.“

 

Aber sie antwortete: „Das kränkt mich. Kannst du mir nicht die Liebe erweisen, mein Haus zu betreten?“ Jesus sagte zu ihr: „Denke daran, ich bin der einzige Mensch, der dich lieben kann. Alle andern, die zu dir kommen, können dich nicht lieben, weil sie keine Liebe in sich haben. Sie sind gekommen, weil sie sich von dir angezogen fühlten. Bei mir ist das anders, meine Liebe kommt aus mir selbst.“

 

Liebe ist wie das Licht einer Lampe: Wenn niemand da ist, scheint das Licht ins Leere und wenn jemand vorbeigeht, scheint es auf ihn. Doch Leidenschaft und Begierde sind nicht wie dieses Licht. Wenn ein anderer sie in dir auslöst, streben diese Energien zu ihm hin. Deshalb ist Leidenschaft eine Spannung. Liebe ist keine Spannung. In der Liebe gibt es keine Spannung. Liebe ist ein Zustand absoluter Ruhe.

 

Unreine Gefühle sind solche, die von außen beeinflusst werden. Der Wind, der draußen weht, verursacht unreine Gefühle in dir. Reine Gefühle sind solche, die aus deinem Innern kommen; sie werden nicht vom Wind beeinflusst. Wir stellen uns Mahavira und Buddha nicht als Menschen vor, die lieben, aber ich sage euch, sie waren die einzigen Menschen, die wirklich geliebt haben. Doch zwischen ihrer Liebe und eurer besteht ein Unterschied. Eure Liebe existiert nur in Beziehung zu jemand anderem. Ihre Liebe ist keine Beziehung, es ist eine Seinsweise. Sie lieben, weil sie keine andere Wahl haben.

 

Über Mahavira wird erzählt, die Leute hätten ihn beschimpft, Steine nach ihm geworfen, sogar seine Ohren mit Nägeln durchstoßen, und er habe ihnen alles verziehen. Aber ich sage euch, das stimmt nicht. Mahavira hat niemandem verziehen, denn nur Leute, die wütend werden, können verzeihen. Und Mahavira hatte auch kein Mitleid mit ihnen, denn nur wer grausam ist, kann Mitleid haben. Und er vermied auch nicht, unwirsch zu diesen Leuten zu sein, denn nur unwirsche Leute können so denken.

 

Was tat Mahavira also? Er war hilflos, er konnte nichts anderes geben als Liebe. Egal, was man ihm antat, seine Antwort war Liebe. Wenn du einen Stein in einen Baum wirfst, der voller Früchte hängt, bekommst du als Antwort nur Früchte. Der Baum kann nicht anders, er ist hilflos. Und wenn du einen Eimer in einen Fluss hineinlässt, ganz gleich ob der Eimer schmutzig oder sauber ist, ob er aus Gold oder aus Eisen ist, der Fluss hat keine andere Wahl als ihm Wasser zu geben. Es ist keine große Heldentat von Seiten des Flusses, er kann einfach nicht anders. Wenn also Liebe ein Seinszustand ist, dann hat man keine andere Möglichkeit als zu lieben.

 

Gefühle, die von innen kommen, die nicht von außen angezogen werden, erfüllen dich mit Seligkeit. Und die Gefühlswogen, die von den äußeren Stürmen hervorgerufen werden, verursachen Ruhelosigkeit und Sorgen. Merke dir diesen Unterschied: Reine Gefühle sind ein Seinszustand, unreine Gefühle sind eine Verfälschung des Seins. Unreine Empfindungen sind das Ergebnis äußerer Einflüsse auf das Sein, reine Empfindungen sind eine innere Expansion. Schaue dir also an, ob die Gefühle, die dich bewegen, von innen kommen oder ob andere Leute sie in dir auslösen.

 

Ich komme zum Beispiel die Straße entlang und du beleidigst mich: Wenn ich wütend werde, ist das ein unreines Gefühl, weil es von dir ausgelöst wurde. Wenn ich daherkomme und du erweist mir Respekt und ich bin erfreut darüber, dann ist auch das ein unreines Gefühl, weil es ebenfalls von dir ausgelöst wurde. Aber wenn meine innere Verfassung die Gleiche bleibt, egal, ob du mich beschimpfst oder lobst, ist das ein reines Gefühl, denn es ist mein eigenes. Das, was mein eigenes ist, ist rein und das, was von außen kommt, ist unrein. Was von außen kommt, ist nur eine Reaktion, ein Echo.

 

Neulich war ich an einem Ort in den Bergen, wo man Echos hört. Wenn du dort rufst, hallt es von den Bergen wider. Die meisten Leute sind nur ein Echo. Alles, was du sagst, wiederholen sie. Sie haben nichts eigenes zu sagen, sie sind wie Echoräume. Wenn du rufst, rufen sie zurück, von ihnen selbst kommt nichts. Ihr seid alle Echoräume. Ihr habt keinen eigenen Klang, kein eigenes Leben, keine eigenen Gefühle. Alle eure Gefühle sind unrein, weil sie anderen gehören, sie sind geliehen. Merke dir also diesen ersten Schlüssel: Ein Gefühl sollte dein eigenes sein. Es sollte keine Reaktion sein, es sollte ein Zustand deines Seins sein.

 

Ich habe diesen Seinszustand in vier Eigenschaften unterteilt. Die erste ist Freundlichkeit. Freundlichkeit ist eine Eigenschaft, die man erst entwickeln muss. Du hast zwar eine Quelle der Freundlichkeit in dir, aber das Leben gibt dir nur wenig Gelegenheit, diese Freundlichkeit auch zu entwickeln. Sie bleibt unentwickelt und liegt da wie ein Same, der nicht wachsen kann, im Boden deines Seins.

 

Die Saat der Feindseligkeit ist sehr stark entwickelt. Warum? Das hat natürliche Gründe, sie wird gebraucht. Es gibt Zeiten, wenn du feindselig sein musst, aber das heißt nicht, dass sie ein ständiger Gefährte sein muss. Es gibt auch Zeiten, wo man sie loslassen muss.

Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist seine erste Erfahrung nicht Liebe. Was das Kind bei seiner Geburt erfährt, ist Angst. Es ist natürlich, denn das Baby hat sich im Mutterleib sehr wohl gefühlt. Dort gab es keine Probleme, keine Sorgen wie man Geld verdient, wo das Essen herkommt, keinerlei Schwierigkeiten. Es schlief selig. Wenn das kleine, in jeder Beziehung schwache Baby aus dem Mutterleib herauskommt, ist seine erste Erfahrung die von Angst. Und in diesem Schock kann es für die Person, die es als Erstes zu Gesicht bekommt, keine Liebe empfinden. Es hat Angst vor ihm. Und wenn es vor jemand Angst hat, dann fängt es an, ihn zu hassen.

Dies ist eine grundsätzliche Regel: Aus Angst kann niemals Liebe entstehen. Die Behauptung, ohne Angst gäbe es keine Liebe, ist völlig falsch. Wo Angst ist, gibt es keine Möglichkeit für Liebe. Selbst wenn nach außen Liebe zur Schau getragen wird, ist im Innern keine Liebe.

 

Die Liebe, die wir auf der Welt sehen, beruht meistens auf Angst. Und Liebe, die auf Angst beruht, ist falsch. Deshalb schaut oft unter der Oberfläche von Liebe der Hass hervor. Den Menschen, den du liebst, hasst du auch gleichzeitig. An der Oberfläche ist Liebe und darunter steckt Hass, denn du hast Angst vor Menschen. Vergiss nicht, ein Mensch, der andern Angst macht, bringt sich um die Möglichkeit, Liebe zu bekommen. Der Vater, der seinem Sohn Angst macht, wird nicht von ihm geliebt. Ein Mann, der seine Frau einschüchtert, kann von ihr keine Liebe bekommen. Statt echter Liebe bekommt er nur Liebe vorgespielt, denn Liebe gedeiht nur in Furchtlosigkeit.

 

Wenn das Kind zur Welt kommt, empfindet es Angst; in diesem Augenblick wird die Quelle von Hass aktiviert. Die Energiequelle der Liebe wird nicht aktiviert. Die meisten Leute sterben, ohne dass diese Quelle je in ihnen gesprudelt hat. Das Leben gab ihnen keine Gelegenheit dazu. Du glaubst, du liebst jemanden, aber in Wirklichkeit ist es keine Liebe, sondern nur Begierde. Liebe kann nur durch Meditation wachsen. Deshalb muss die Quelle von Liebe und Freundlichkeit in dir entwickelt werden, und zwar gegen alle primitiven Instinkte, die ihnen keine Chance geben sich zu entfalten. Das Leben, das du führst, gibt ihnen keine Möglichkeit zu wachsen. Nur der Hass kann sich entwickeln.

 

Und was du Freundlichkeit nennst, ist bloß Scheinheiligkeit und Höflichkeit. Deine Freundlichkeit ist nur eine Strategie, um dem Hass zu entkommen, um ihn zu vermeiden, aber keine Freundlichkeit. Freundlichkeit ist etwas ganz anderes. Wie kann diese Quelle zum Leben erweckt werden? Wie können sich Gefühle der Freundlichkeit in dir entwickeln? Du musst ständig eine Atmosphäre von Freundlichkeit um dich herum schaffen. Alle Leute in deiner Umgebung sollen deine freundliche Ausstrahlung spüren und du musst dieser Freundlichkeit innerlich Energie geben und sie aktivieren.

 

Wenn du an einem Fluss sitzt, dann gib dem Fluss deine Liebe. Ich sage mit Absicht dem Fluss, weil es dir vielleicht schwer fällt, einen Menschen zu lieben. Oder gib einem Baum deine Liebe. Schenke deine Liebe zuerst der Natur. Das anahat Chakra, das Herzzentrum kann sich leichter der Natur öffnen, weil die Natur dir nicht wehtut.

 

In den alten Tagen gab es wunderbare Menschen. Sie konnten ihre Liebe mit der ganzen Welt teilen! Wenn morgens die Sonne aufging, grüßten sie sie mit aneinander gelegten Händen: „Gepriesen sei deine Herrlichkeit. In deinem unendlichen Mitgefühl gibst du uns Licht und Helligkeit.“ Und das war nicht etwa heidnische Verehrung oder Unwissenheit, sondern hatte eine tiefe Bedeutung. Denn ein Mensch, der voller Liebe für die Sonne ist, der den Fluss und die Erde seine Mutter nennt und voller Liebe daran denkt, ein solcher Mensch kann anderen gegenüber kaum lieblos sein. Das ist unmöglich.

 

Diese wunderbaren Menschen, die ihre Liebe mit der ganzen Natur teilten, übten sich ständig in Gebet, Liebe und Hingabe. Und das ist auch nötig. Wenn du möchtest, dass die Saat der Liebe in dir aufgeht, dann richte deine Liebe zuerst an die Natur. Aber ihr habt merkwürdige Angewohnheiten: Der Mond steht die ganze Nacht am Himmel und ihr sitzt vor dem Fernseher oder rechnet aus, wie viel Geld ihr gewonnen oder verloren habt. Der Mond steht am Himmel und ihr vergeudet eine wunderbare Gelegenheit zu lieben. Der Mond hätte deine Liebe erwecken können. Wenn du ein paar verzauberte Minuten im Mondlicht sitzen kannst und deine Liebe mit ihm teilen kannst, dann können seine Strahlen dich im Innersten treffen und du wirst mit Liebe erfüllt.

 

Es gibt überall Gelegenheiten, überall. Die Existenz ist voller großartiger Dinge. Schenke ihnen deine Liebe. Lasse nie eine Gelegenheit, liebevoll zu sein, ungenutzt. Wenn du zum Beispiel über die Straße gehst und siehst einen Stein im Weg liegen, dann räume ihn beiseite. Es ist eine Gelegenheit, die dein Leben verändern kann, und dabei ist sie völlig umsonst. Diese Arbeit ist gar nicht teuer! Kannst du dir eine billigere Meditation vorstellen als diese? Du gehst über die Straße, siehst einen Stein, hebst ihn auf und trägst ihn an die Seite. Wer weiß, jemand hätte sich verletzen können. Du hast es aus Mitgefühl getan. Mit diesem Beispiel will ich zeigen, dass es die kleinen Dinge im Leben sind, die den Samen der Liebe in euch nähren, die ganz einfachen Dinge.

 

Ein Kind weint und du gehst vorbei. Kannst du nicht einen Augenblick stehen bleiben und seine Tränen trocknen?

 

Abraham Lincoln war gerade in einer Senatsversammlung, als ein Schwein sich draußen in einem Zaun verfing. Er sagte: „Unterbrecht die Debatte einen Moment, ich bin gleich wieder da“ und lief hinaus. Das war schon seltsam. Wegen einer solchen Sache ist das amerikanische Parlament wahrscheinlich noch nie unterbrochen worden. Er rannte hinaus und befreite das Schwein! Sein Anzug war von oben bis unten schmutzig. Er machte das Schwein vom Zaun los und ging dann zurück ins Gebäude. Die Leute fragten ihn: „Was war los? Warum haben Sie die Versammlung unterbrochen und sind so aufgeregt hinausgelaufen?“ Er antwortete: „Ein Leben war in Gefahr.“

Es war eine einfache Handlung der Liebe, aber so wunderbar. Kleine Dinge … Und ich sehe Leute, die ihr Wasser filtern, bevor sie es trinken, damit keine Organismen getötet werden. Aber in ihrem Innern sind sie lieblos. Das Wasser zu filtern ist bedeutungslos, eine rein mechanische Angewohnheit. Und auch nachts essen sie nichts, aus Angst, sie könnten im Dunkeln irgendein Lebewesen mitessen. Aber weil in ihren Herzen keine Liebe mitschwingt, ist die Handlung völlig bedeutungslos. Ein Brahmane oder ein Jaina isst kein Fleisch. Aber glaube nicht, er wäre ein so liebevoller Mensch, nein, das ist einfach so Sitte. Es ist seine Erziehung, nicht seine Liebe. Ja, wenn er aus Liebe so handeln würde, wäre das etwas ganz Besonderes.

 

Gewaltlosigkeit ist nur dann ein hoher religiöser Wert, wenn sie aus Liebe hervorgeht. Wenn man aber nur die heiligen Schriften gelesen hat oder der Tradition folgt, ist nichts Religiöses daran. Es gibt so viele kleine Dinge im Leben, kleine Dinge, die ihr vergessen habt.

Wenn du jemand deine Hand auf die Schulter legst, dann lass deine ganze Liebe durch deine Hand fließen. Lass deine ganze Lebensenergie und dein Herz in der Hand zusammenströmen und durch sie hinausgehen. Du wirst überrascht sein, welche Magie das hat. Wenn du jemandem in die Augen schaust, dann lege dein ganzes Herz in die Augen. Der Zauber, der von deinen Augen ausgeht, setzt im andern etwas in Bewegung. Und nicht nur deine eigene Liebe wird dadurch lebendig, vielleicht wird sogar im andern Menschen Liebe geweckt.

 

Wenn ein Mensch wirklich liebt, kann er in tausenden von Menschen Liebe wecken. Lass dir keine Gelegenheit entgehen, um dein Zentrum der Liebe und der Freundlichkeit zu wecken. Merke dir diesen Schlüssel: Tue jeden Tag ein oder zwei Dinge, für die du nichts zurückbekommen willst. Den ganzen Tag über arbeitest du nur, weil du dafür etwas bekommst. Tue regelmäßig jeden Tag auch etwas, wofür du keine Gegenleistung erwartest. Das sind die Handlungen, die aus Liebe geschehen. Sie werden deine Liebe stärken und deine Freundlichkeit wird immer mehr wachsen. Dann kannst du eines Tages auch zu einem Unbekannten freundlich sein und später sogar zu einem Feind.

 

Dann kommt der Augenblick, wo du nicht mehr unterscheidest, wer dein Freund und wer dein Feind ist. Mahavira hat immer gesagt: ,Jeder ist mein Freund. Ich hege für niemanden Feindschaft.“ Das ist kein Gedanke, sondern ein Gefühl. Es ist nichts, was dir durch den Kopf geht, sondern ein Zustand, in dem du das Gefühl hast, dass niemand dein Feind ist. Und wann entsteht dieser „Niemand-ist-mein-Feind“ Zustand? Er entsteht, wenn du selbst niemandes Feind bist. Es ist gut möglich, dass Mahavira noch Feinde hatte, aber er sagt, sie sind nicht seine Feinde. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass er keine Feindseligkeit in sich trägt. Was muss das für ein glücklicher Moment sein!

 

Die Liebe zu einem Menschen kann so viel Freude entfachen. Dann muss die Freude eines Menschen, der fähig ist, die ganze Welt zu lieben, grenzenlos sein. Und es kostet gar nichts, du verlierst nichts dabei und gewinnst viel. Deshalb sind Buddha und Mahavira für mich keine Menschen, die der Welt entsagt haben. Sie sind diejenigen, die das Leben mehr als irgendjemand anders genossen haben. Ihr seid vielleicht Entsager, aber nicht sie. Sie haben viele Türen unendlicher, grenzenloser Seligkeit geöffnet. Sie haben das Höchste, das Schönste in dieser Welt gekostet und gekannt. Und was kennst du? Du kennst nichts anderes als Gift. Sie haben das Lebenselixier erfahren.

 

Du musst deinem Leben eine Disziplin geben, um dich auf den höchsten Augenblick vorzubereiten, wo du deine Liebe über die ganze Welt ausdehnen kannst. Doch dazu bedarf es einer Anstrengung. Mache also bewusst jeden Tag etwas Liebevolles. Es gibt den ganzen Tag tausende von Gelegenheiten, um deine Liebe auszudrücken. Aber du hast so viele schlechte Angewohnheiten: Du lässt dir alle Gelegenheiten entgehen, deine Liebe zu zeigen, aber keine einzige Gelegenheit, um deinen Hass auszudrücken.

 

Lasse die Gelegenheit zu hassen wenigstens ab und zu einmal ungenutzt. Und nutze ab und zu die Gelegenheit, bewusst zu lieben. Das wird den Prozess deiner Meditation sehr beschleunigen.

 

Der erste Schlüssel war also Freundlichkeit und der zweite Schlüssel ist Mitgefühl. Mitgefühl ist auch eine Form von Freundlichkeit, aber ich nenne sie gesondert, weil sie noch einige andere Elemente enthält. Wenn du die Leute um dich herum betrachtest, empfindest du Mitgefühl. Hier sitzen viele Leute: Man weiß nie, ob heute Abend nicht jemand von ihnen stirbt. An irgendeinem Abend sind wir alle einmal tot, eines Tages sind wir alle nicht mehr da. Wenn mir bewusst wird, dass ich das eine oder andere Gesicht nicht mehr wiedersehen könnte, ist mein Herz voller Mitgefühl.

 

Gerade eben war ich in einem Garten und die Blumen, die dort blühten, werden heute Abend verwelkt sein. Ihr Leben ist sehr kurz. Morgens erblühen sie und am Abend sind sie hinüber. Hast du nicht Mitgefühl für sie, wenn dir bewusst wird, dass diese Blumen, die jetzt lächeln, heute Abend schon verwelkt sind und im Staub liegen? Weckt nicht die Vorstellung, dass einige Sterne am Nachthimmel verlöschen, Mitgefühl für die Sterne?

 

Wenn wir die Dinge mit tieferem Verständnis sähen, dann empfänden wir Mitgefühl für alles, dann hätten wir große Sympathie für alles um uns herum. Unsere Begegnung ist so kurz, dieses Leben ist so schwierig und diese Gelegenheit so kostbar. Es gibt so viel Leidenschaft, so viele Wünsche, so viel Schmerz in jedem Menschen und dennoch leben und lieben wir irgendwie und erschaffen große Kunstwerke.

Buddha wurde einmal von einem Mann angespuckt. Aus lauter Wut hat dieser Mann ihn plötzlich angespuckt. Buddha wischte die Spucke ab und fragte ihn: „Willst du mir sonst noch etwas sagen?“ Sein Schüler Ananda, der bei ihm saß, meinte: „Was redest du da? Hat er denn überhaupt etwas gesagt. Wenn du mir erlaubst, werde ich das mit ihm abmachen. Das geht doch zu weit!“ Aber Buddha antwortete: „Er versucht, etwas zu sagen, aber er hat keine Worte dafür. Seine Worte sind ohnmächtig und der innere Impuls ist stark. Er konnte es nicht ausdrücken, deshalb hat er es mit einer Handlung gesagt.“

 

Das nenne ich Mitgefühl, dass Buddha für den Mann Sympathie empfand, weil seine Sprache so machtlos war. Der Mann war wütend und fand keine Worte dafür, also sagte er es, indem er spuckte. Wenn jemand zu mir kommt und voller Liebe meine Hand hält, fühle ich mit ihm: Er versucht, etwas auszudrücken, aber die Sprache ist unzureichend. Er sagte es, indem er meine Hand hält. Wenn zwei Menschen sich umarmen, reichen die Worte nicht aus. Der Mensch ist hilflos, er möchte dem andern etwas sagen und bringt sein Herz zum Herzen des andern, weil es keine andere Ausdrucksweise gibt.

 

Als ich gestern hier wegging, berührten die Leute meine Füße und mein Mitgefühl mit ihnen war so groß. Wie hilflos ist doch der Mensch! Er möchte etwas sagen, aber er kann es nicht, deshalb berührt er die Füße. Einer meiner engen Freunde ging hinter mir. Er ist ein sehr rationaler Typ. Er sagte: „Nein, nein! Tu das nicht!“ In gewisser Weise hatte er Recht. Es ist so traurig, was mit der Welt geschieht. Diejenigen, die sich verneigen wollen, sind authentisch, aber jetzt gibt es Leute, die wollen, dass du dich vor ihnen verneigst. Er hatte also in der Tat Recht, wenn er sagte: „Nein, nein, tu das nicht!“

 

Ich fand, es war beides zugleich richtig und falsch. Insofern war es richtig, als niemand in dieser Welt zulassen sollte, dass jemand ihm die Füße berührt. Aber die Welt wäre auch nicht in Ordnung, wenn es keine Leute mehr gäbe, deren Füße man berühren möchte und wenn es keine Herzen mehr gäbe, die sich vor jemandem verneigen wollten. Eine Welt, wo wir nicht von Gefühlen überwältigt würden, die sich nur dadurch ausdrücken lassen, dass man sich vor jemandem verneigt, wäre eine arme Welt. Die Menschen würden vertrocknen und keinen Sinn mehr spüren. Und ich finde es erstaunlich zu sehen, dass, wenn jemand meine Füße berührt, er im Grunde etwas anderes in meinen Füßen sieht. In seinen Augen berührt er die Füße des Göttlichen.

 

Und vergesst das nicht: Wann immer man sich vor jemandem verneigt, außer wenn es erzwungen ist, verneigt man sich eigentlich vor dem Göttlichen. Denn was ist schon dran an den Füßen, dass man sich vor ihnen verneigen sollte. Doch es gibt im Innern Gefühle, die sich nicht anders ausdrücken lassen.

 

Gestern war jemand bei mir, der mich liebt. Als ich am Abend unter die Dusche gehen wollte, schaltete er das Licht an und sagte: ,Jetzt wo es hell ist, lass mich deine Füße berühren.“ Und ich sah Tränen in seinen Augen. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als diese Tränen. Kein Gedicht, kein Lied kann schöner sein als diese Tränen, die in einem Augenblick der Liebe kommen. Und wenn du das verstehst, wenn du das siehst, wie könntest du da nicht voller Mitgefühl sein?

 

Doch was siehst du stattdessen? Was du in den Menschen siehst, ruft nicht dein Mitgefühl, sondern deine Kritik hervor. Was du in ihnen siehst, löst Härte statt Mitgefühl in dir aus. Dir fällt das Unauthentische an den Menschen auf, nicht das, was aus ihrem Herzen kommt, sondern was aus ihrer Hilflosigkeit kommt. Ein Mann verflucht mich, kommt das aus seinem Herzen? Nein, es muss Ausdruck seiner Hilflosigkeit sein. Aber selbst der schlimmste Mensch hat ein Herz und wenn du es sehen kannst, bist du voller Mitgefühl.

 

An jenem Morgen sagte Buddha: „Ich habe großes Mitgefühl für diesen Mann. Die Sprache ist so unzulänglich, Ananda. Das Herz möchte so vieles sagen und kann es nicht.“ Er fragte den Mann einfach: „Möchtest du noch etwas sagen?“ Was hätte der Mann noch sagen können? Jetzt war es fast unmöglich, noch irgendetwas zu antworten. Er ging fort. In der Nacht tat es ihm so Leid, dass er am nächsten Morgen wiederkam, um sich zu entschuldigen. Er fiel vor Buddha nieder und weinte.

 

Buddha sagte: „Ananda, siehst du wie machtlos die Sprache ist? Wieder möchte er etwas sagen und kann es nicht. Und genau wie gestern drückt er es durch sein Verhalten aus. Ananda, dieser Mann verdient großes Mitgefühl.“


Das Leben ist kurz, es dauert nur ein paar Tage. Ich sage ein paar Tage, aber in Wirklichkeit sind uns nicht einmal die nächsten Minuten sicher. Und wenn wir in diesen wenigen Minuten des Lebens nicht lernen, Mitgefühl mit einander zu haben, dann sind wir nicht menschlich gewesen, dann haben wir das Leben nicht gekannt, wir haben es nicht begriffen.

 

Verbreite also Mitgefühl um dich herum. Sieh dich doch um: Die Leute sind so unglücklich, mache ihr Unglück nicht noch größer. Euer Mitgefühl kann ihr Unglück verringern; ein Wort des Mitgefühls kann ihr Unglück verringern. Ihr macht alle das Unglück des anderen größer, ihr helft einander, noch unglücklicher zu sein. Jeder einzelne Mensch hat viele Leute hinter sich, die ihn unglücklich machten. Wenn du einmal weißt, was Mitgefühl ist, änderst du alle Verhaltensweisen, mit denen du andere unglücklich machst.

 

Vergiss eins nicht: Wer andere unglücklich macht, wird am Ende selbst unglücklich; und wer andere glücklich macht, erfährt am Ende allerhöchstes Glück. Deshalb habe ich gesagt, dass jemand, der versucht Glück zu geben, sein eigenes Glücks-Zentrum entwickelt. Die Frucht kommt nicht von außen, sie wächst in deinem Innern. Durch alles, was du tust, entsteht in dir eine innere Bereitschaft dafür. Jemand, der Liebe bekommen möchte, sollte zunächst Liebe geben. Jemand, der Seligkeit erfahren möchte, sollte andere glücklich machen. Wenn jemand möchte, dass es in seinem Haus Blumen regnet, sollte er in den Häusern der andern Blumen regnen lassen. Das ist der einzige Weg.

 

Mitgefühl ist also ein Gefühl, das jeder Mensch entwickeln muss, wenn er in Meditation gehen will.

 

Der dritte Schlüssel ist Freude, Glück, ein Gefühl von Seligkeit und die Abwesenheit von Unglück. In euch allen steckt eine Menge Unglück. Ihr seid traurige, müde Menschen; ihr seid geschlagene Menschen, die sich auf der Straße der Niederlage bis zum bitteren Ende dahinschleppen. Ihr geht, als wärt ihr schon tot. Euer Gang hat keine Energie, kein Leben in sich. In eurem täglichen Leben gibt es keine Lebendigkeit. Ihr seid lethargisch und traurig und gebrochen. Das ist nicht richtig, denn wie kurz auch das Leben sein mag, wie sicher uns der Tod auch ist, jemand, der nur ein klein wenig Einsicht hat, kann nicht traurig sein.

 

Sokrates lag im Sterben. Man hatte ihm das Gift gegeben, aber er lachte! Creto, einer seiner Schüler, sagte zu ihm: „Du hast ja Tränen in den Augen vor Lachen. Der Tod ist so nahe, du solltest traurig sein.“ Sokrates sagte: „Was ist daran traurig? Wenn ich sterbe, wenn alles in mir stirbt, wo ist dann die Traurigkeit? Es wird niemand mehr geben, der Traurigkeit empfindet. Und wenn es mich nach dem Tod noch gibt, wo ist dann ein Grund für Traurigkeit? Was verloren geht, bin nicht ich. Ich bin das, was bleibt.“ Und er sagte: „Ich bin glücklich. Der Tod kann nur zwei Dinge bewirken: Er kann mich entweder vollkommen zerstören, dann bin ich glücklich, weil ich keine Traurigkeit spüre, oder falls etwas von mir übrig bleibt, bin ich glücklich, weil der Teil, der nicht ich war, weggenommen wurde. Ich werde bleiben. Das sind die beiden Möglichkeiten, die der Tod hat, deshalb lache ich.“

 

Er ist selbst im Angesicht des Todes noch glücklich und hier seid ihr, lebendig und dennoch unglücklich. Ihr lebt und seid trotzdem unglücklich und es hat Menschen gegeben, die sogar im Angesicht des Todes noch glücklich waren. Es gab Menschen, die dem Tod lachend und glücklich gegenübergetreten sind, aber ihr macht selbst mitten im Leben lange Gesichter und seid traurig und unglücklich. Das ist der falsche Weg. Ein Mensch, der voller Feindseligkeit ist, kann nicht den spirituellen Weg einschlagen. Auf dem spirituellen Weg brauchst du Fröhlichkeit und einen glücklichen Geist. Sei also bei allem fröhlich. Das sind nur Angewohnheiten. Traurigkeit ist nur eine Angewohnheit, die du dir zugelegt hast. Genauso gut kannst du dir Fröhlichkeit angewöhnen. Um die Fröhlichkeit in dir zu fördern, musst du die hellen Seiten deines Lebens betrachten, nicht die dunklen.

 

Wenn ich euch erzähle, ich habe einen Freund, der wunderschön singt oder Flöte spielt, dann sagt ihr: „Das mag sein. Aber wie kann der Mann Flöte spielen, wenn er immer in die Kneipe geht und sich betrinkt?“ Diese Antwort unterstützt die dunkle Seite. Wenn ich sage: „Das ist mein Freund, er ist ein Trinker“ und ihr sagt: „Kann sein, aber er spielt wunderschön Flöte!“, dann schaut ihr auf die helle Seite des Lebens. Jemand, der glücklich sein möchte, sieht die helle Seite. Er sieht, dass es zwischen zwei Tagen eine Nacht gibt. Jemand, der unglücklich sein möchte, sieht, dass es einen Tag zwischen zwei Nächten gibt.

 

Die Art, wie wir das Leben sehen, hat einen unmittelbaren Einfluss darauf, was sich in uns entwickelt. Schaue also nicht auf die dunkle Seite des Lebens, schaue auf die helle Seite.

 

Als ich noch klein war, war mein Vater arm. Er hatte unter großen Schwierigkeiten ein Haus gebaut. Er war arm und gleichzeitig unerfahren, denn er hatte noch nie zuvor ein Haus gebaut. Wahrscheinlich hat er gar nicht gewusst, wie man das macht, denn als es fertig war, kam der Monsunregen und noch ehe wir einzogen, stürzte das Haus ein. Ich war noch klein und es machte mich sehr traurig. Mein Vater war gerade nicht im Dorf. Ich schickte ihm eine Nachricht, dass das Haus eingestürzt war und unsere Hoffnung, bald einzuziehen, sich in Luft aufgelöst hätte. Als er zurückkam, verteilte er Süßigkeiten unter den Leuten im Dorf und sagte: „Ich bin Gott sehr dankbar. Wenn das Haus acht Tage später eingestürzt wäre, wäre nicht ein Einziges meiner Kinder noch am Leben.“ Wir hatten acht Tage später einziehen wollen. Nach diesem Vorfall war er sein ganzes Leben lang glücklich darüber, dass das Haus acht Tage vorher eingestürzt war. Sonst hätte es eine Katastrophe gegeben.

 

So kann man das Leben auch betrachten. Und für einen Menschen, der das Leben so betrachten kann, gibt es unendlich viel Freude und Glück. Das Leben selbst hat keine Bedeutung, es kommt nur darauf an, wie du es siehst. Deine Einstellung, deine Sichtweise, dein Verständnis ist es, was es positiv oder negativ macht. Frage dich einmal, worauf du dein Augenmerk richtest. Bist du je einem Menschen begegnet, der so bösartig ist, dass er keine einzige gute Qualität besitzt? Und wenn du diese Qualität findest, dann konzentriere dich darauf, das ist die eigentliche Qualität des Mannes. Halte überall im Leben Ausschau nach Helligkeit, nach Licht, denn dadurch werden Helligkeit und Licht in dir geboren. Das ist es, was Fröhlichkeit bedeutet.

 

Das dritte Gefühl ist also Freude. Du empfindest so viel Freude, dass sie sogar Tod und Unglück aufwiegt. Du bist so voller Freude, dass Tod und Unglück schrumpfen und sterben. Du merkst nicht einmal mehr, dass es Tod und Unglück gibt. Ein Mensch, der Fröhlichkeit und Glück in sich nährt, kommt in seiner Meditation voran.

 

Es gab einmal einen Heiligen, der immer so glücklich war, dass die Leute sich über ihn wunderten. Noch nie hatten sie ihn traurig oder unzufrieden gesehen. Als sein Tod näher kam, sagte er: „In drei Tagen werde ich nicht mehr hier sein. Und ich teile es euch jetzt schon mit, damit ihr nicht am Grab eines Mannes weint, der sein Leben lang gelacht hat. Ich sage es euch, damit sich keine Traurigkeit in dieser Hütte ausbreitet. Hier gab es immer nur Glück, hier gab es immer nur Fröhlichkeit. Deshalb macht meinen Tod zu einem Fest und nicht zu einem Trauerspiel. Jammert nicht über meinen Tod. Macht ein Fest daraus.“

 

Aber die Leute wurden traurig, sehr traurig. Er war so ein außergewöhnlicher Mann und je außergewöhnlicher er war, desto größer wurde ihre Trauer. Viele liebten ihn. Drei Tage lang hatten sich alle um ihn versammelt und er erzählte ihnen bis zum letzten Augenblick Witze, brachte sie zum Lachen und sprach sehr liebevoll mit ihnen. Am Morgen bevor er starb, sang er ein Lied und meinte danach: „Legt meinen Körper mitsamt den Kleidern auf den Scheiterhaufen und wascht ihn vorher nicht!“

 

Das waren seine letzten Anweisungen und danach starb er. So wurde er mitsamt seinen Kleidern verbrannt. Und als die Leute traurig um das Feuer herumstanden, erschraken sie plötzlich. Er hatte Feuerwerkskörper in den Kleidern versteckt, die jetzt alle anfingen zu explodieren. Sein Scheiterhaufen wurde zu einem Festplatz! Die Leute lachten und sagten: „Er hat uns zu Lebzeiten immer zum Lachen gebracht und er bringt uns auch im Tod noch zum Lachen.“

 

Das Leben muss in Lachen verwandelt werden. Das Leben und selbst der Tod müssen zu einer Freude werden. Und ein Mensch, dem das gelingt, ist gesegnet und von Dankbarkeit erfüllt. Ein Mensch, der so in Meditation geht, wird außergewöhnlich schnell vorankommen, er wird wie ein Pfeil dahinfliegen. Wenn jemand mit einem belasteten Verstand in Meditation geht, hat er Steine an den Pfeil gebunden. Wie kann der Pfeil da fliegen? Je schneller du fliegen willst, umso leichter und sorgloser muss dein Verstand sein. Je weiter dein Pfeil reichen soll, umso leichter muss er sein. Je höher du steigen möchtest, umso mehr Gepäck wirst du im Tal zurücklassen müssen. Und die größte Last ist dein Unglück, deine Traurigkeit, deine Feindseligkeit. Es gibt keine größere Last als das.

 

Hast du einmal die Leute beobachtet? Sie gehen, als würden sie eine schwere Bürde auf den Schultern tragen. Lass diese Bürde fallen und sage ja zur Freude! Brülle wie ein Löwe vor lauter Freude! Lass die Welt wissen, dass, egal wie dein Leben aussieht, es ein Lied werden kann, es voller Freude sein kann. Das Leben kann Musik sein. Vergiss das Dritte nicht: die Freude.

 

Und das Vierte ist Dankbarkeit. Dankbarkeit ist göttlich. Wenn in diesem Jahrhundert irgendetwas verloren gegangen ist, dann ist es die Dankbarkeit.

 

Weißt du eigentlich, dass nicht du es bist, der einatmet. Wenn die Luft nicht hereinkommt, kannst du sie nicht holen. Bist du sicher, dass du es warst, der geboren wurde? Nein, das warst nicht du. Du hast bei deiner Geburt keine bewusste Rolle gespielt, es war nicht deine Entscheidung. Bist du dir bewusst, wie fantastisch dieser Körper ist, den du bekommen hast? Er ist das größte Wunderwerk auf der Welt. Du isst etwas und dieser kleine Magen verdaut es, das ist ein richtiges Wunder. Die Wissenschaft hat sich enorm weiterentwickelt, aber selbst wenn wir große Fabriken hätten und tausende von Spezialisten beschäftigen würden, wäre es immer noch schwierig, die Verdauung eines einzigen Chapatis zu bewerkstelligen und ihn in Blut umzuwandeln. Und dein Körper vollbringt vierundzwanzig Stunden lang Wunder, dieser kleine Körper mit seinen Knochen und ein wenig Fleisch. Die Wissenschaftler sagen, dass der Körper aus Material besteht, das vier oder fünf Dollar kosten würde. Er ist nicht aus kostbarem Material gemacht. Ein solches Wunderwerk steht den ganzen Tag zu deiner Verfügung und du bist ihm nicht einmal dankbar!

 

Hast du deinen Körper jemals geliebt? Hast du jemals deine Hände geküsst? Hast du jemals deine Augen geliebt? War dir jemals bewusst, was für eine außergewöhnliche Sache hier vor sich geht? Man findet nur selten einen Menschen, der seinen Körper liebt und der dafür Dankbarkeit empfindet, dass diese außergewöhnliche Angelegenheit ohne sein Wissen und sogar ohne sein Zutun abläuft.

Seid also zu allererst eurem Körper dankbar. Nur jemand, der seinem eigenen Körper dankbar ist, kann auch den Körpern anderer Leute dankbar sein. Liebe zuerst deinen eigenen Körper, denn nur dann kannst du auch die Körper anderer Menschen lieben. Die Leute, die dich lehren, gegen deinen eigenen Körper zu sein, sind unreligiös. Der Körper ist ein großes Wunder, er ist unglaublich hilfreich, sei ihm dankbar.

 

Was ist dieser Körper? Er besteht aus fünf Elementen. Sei diesen fünf Elementen dankbar.

 

Was wird mit dir geschehen, wenn die Sonne eines Tages verlischt? Nach Meinung der Wissenschaftler wird die Sonne in vier Millionen Jahren verglüht sein. Sie hat genug Licht gegeben, sie brennt aus und eines Tages vergeht sie. Wir leben in dem Glauben, dass jeden Tag die Sonne aufgeht, aber es wird ein Tag kommen, wo die Leute beim Zubettgehen wie üblich denken, dass am nächsten Morgen wieder die Sonne aufgeht, aber sie wird nicht aufgehen. Und was geschieht dann? Nicht nur die Sonne stirbt, auch alles Leben stirbt, weil es von ihr genährt wird und Wärme und Energie bekommt.

 

Hast du, wenn du am Ozean sitzt, je daran gedacht, dass dein Körper zu siebzig Prozent aus Ozeanwasser besteht? Der Mensch ist zwar auf dem Land geboren, aber die ersten Organismen stammen aus dem Ozean. Selbst jetzt enthält das Wasser in deinem Körper noch die gleiche Menge Salz wie das Ozeanwasser. Und wenn dieses Verhältnis sich ein bisschen verschiebt, wirst du krank.

 

Hast du, wenn du am Ozean sitzt, schon einmal daran gedacht, dass du auch etwas vom Ozean in dir hast? Du solltest dem Ozean dankbar sein für den Ozean in dir und du solltest der Sonne dankbar sein für das Sonnenlicht in dir. Dem Wind solltest du dankbar sein, dass er deinen Atem bewegt. Du solltest dem Himmel und der Erde dankbar sein, die dich geschaffen haben. Das nenne ich Dankbarkeit, göttliche Dankbarkeit.

 

Ohne diese Dankbarkeit kannst du nicht religiös sein. Wie kann ein undankbarer Mensch religiös sein? Wenn dich diese Dankbarkeit durchs Leben begleitet, wirst du staunen, mit wie viel Frieden, mit wie viel Geheimnisvollem sie dich erfüllt. Und dann begreifst du eins: dass du es nicht verdient hast, all diese Dinge zu bekommen. Aber weil du sie dennoch hast, bist du voller Dankbarkeit und sie geben dir ein Gefühl der Erfüllung.

 

Gib deiner Dankbarkeit Ausdruck. Siehe zu, wie du mehr Dankbarkeit entwickeln kannst, dann gewinnt deine Meditation an Tiefe. Und nicht nur deine Meditation, sondern dein ganzes Leben wird sich ungeheuer verändern. Es wird eine ganz neue Qualität haben. Immer wenn du mit Menschen zu tun hast, sei dir deiner Dankbarkeit bewusst und dein Leben wird voll Staunen sein.

 

Ich habe euch vier Dinge genannt, die für die Reinheit der Gefühle nötig sind: Freundlichkeit, Mitgefühl, Fröhlichkeit und Dankbarkeit. Es gibt noch viele andere, aber diese vier sind genug. Wenn du über sie meditierst, dann folgen die andern von selbst. Auf diese Weise werden die Gefühle rein.

 

Ich habe euch erklärt, wie man den Körper reinigt, wie man die Gedanken reinigt und wie man die Gefühle reinigt. Selbst wenn ihr nur diese drei zu Stande bringt, betretet ihr schon eine völlig neue Welt. Selbst wenn euch nur diese drei Schritte gelingen, wird viel geschehen.

 

Drei andere Prinzipien werde ich später besprechen: die Leere des Körpers, die Leere des Geistes und die Leere der Gefühle. Und wenn Reinigung und Leere zusammenkommen, geschieht samadhi, Erleuchtung.

 

Aus: Das Feuer der Meditation

Osho